Indem man in einer schwierigen Situation seine Sichtweise ändert und sich auf amüsante oder unpassende Elementen fokussiert, kann man die negativen Auswirkungen stark mindern oder gar ganz vermeiden. Humor ist daher ein wirksamer Abwehrmechanismus, der es uns ermöglicht, uns einer schwierigen Situation zu stellen, ohne von negativen Emotionen überwältigt zu werden.
Wir alle tragen ihn in uns und fast jeder Mensch wird bestätigen, dass er ihm sehr wichtig ist: der Humor. Seltsamerweise scheinen wir den Humor allerdings bei wichtigen Entscheidungen oftmals völlig auszuklammern. Zu ernst sehen wir die Lage. Oder hast Du es bei einem Vorstellungsgespräch schon einmal erlebt, dass der Personalleiter oder angehende Chef sagte: „Am wichtigsten ist es, dass die Person, die wir einstellen, Humor hat.“ Oder wie wäre es, wenn Du selbst bei einem Vorstellungsgespräch sagen würdest: „Einer der wichtigsten Aspekte für mich ist, dass mein Vorgesetzter und meine Kollegen Humor haben.“
Dein Humor ist der Teil von dir, der Dir in schwierigen Zeiten emotionale Stabilität und innere Ruhe garantiert. Zudem ist der Humor ein hervorragendes Kommunikationsinstrument. Das spontane gemeinsame Lachen über eine komische Situation erzeugt unmittelbar Vertrautheit und Du denkst: “Mit der Person stimmt die Chemie.” Dabei mag der Humor je nach Kultur unterschiedlich sein, aber allen ist etwas gemeinsam: Sich selbst und seine Sache für einen Augenblick nicht so ernst zu nehmen und sich stattdessen auf ein gemeinsames Grundgefühl zu berufen, um damit Verständnis und Vertrautheit zu erzeugen.
Du findest überall gute Tips, wie Du Dich auf einer Party verhalten sollst, um schnell ins Gespräch mit anderen zu kommen. Komischerweise wird dabei fast nie auf den Humor verwiesen, obwohl es unzählige Beispiele dafür gibt, dass Humor schnell das Eis brechen lässt und für Lockerheit im Umgang und Gespräch mit Fremden sorgt.
Was ist Humor?
Falls Du Interesse hast, einen kleinen Schritt in die Humorforschung zu wagen, kann ich Dir den Klassiker Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten / Der Humor von Siegfried Freud wärmstens empfehlen. Darin unterscheidet Freud grob drei Arten: der Witz, die Komik und der Humor.
Erzählt uns jemand einen Witz, führt er uns bewusst in die Irre. Wie bei einer Geschichte, die wir hören, stellen wir uns vor, was als nächstes passiert und wie die Handlung ausgeht. Das Spezifische bei einem Witz ist allerdings die unerwartete Wendung: Meist geht er ganz anders aus als wir uns das vorgestellt haben. Gefällt uns diese unerwartete Wendung, sind wir emotional angesprochen. Durch die enthemmende Wirkung von Humor lassen wir unseren Gefühlen freien Lauf und beginnen, zu lachen.
Die Komik zeigt sich oft nonverbal und spontan. Alle kennen das Phänomen der Situationskomik, in der einem selbst oder einer anderen Person etwas Unerwartetes widerfährt, was unsere Heiterkeit auslöst.
Hier sind wir dem Humor nach Freud schon sehr nahe. Freud beschreibt Humor als eine absichtlich positive Reaktion eines Menschen in einer negativen Situation, in der normalerweise Angst, Frust oder Ärger als Verhaltensmuster vorherrschen. Das bedeutet, ein humorvoller Mensch entscheidet sich in einer schwierigen Situation bewusst für das Gegenteil der zu erwartenden Reaktion.
Die Frage ist, wie macht er das? Entscheidend ist ein Wechsel in der Perspektive. Indem man in einer schwierigen Situation seine Sichtweise ändert und sich auf amüsante oder unpassende Elementen fokussiert, kann man die negativen Auswirkungen stark mindern oder gar ganz vermeiden. Das Lachen als körperliche Reaktion ist die Freisetzung von Energie, die normalerweise für die Bewältigung der schmerzhaften Erfahrung notwendig wäre. Durch die humorvolle Betrachtungsweise ist diese Energie überflüssig geworden und entlädt sich in Lachen. Laut Freud ist Humor daher ein wirksamer Abwehrmechanismus, der es uns ermöglicht, uns einer schwierigen Situation zu stellen, ohne von negativen Emotionen überwältigt zu werden.
Humor ist deshalb vielmehr eine Charaktereigenschaft als bloße Reaktion, die bei jedem Menschen individuell ausgeprägt ist. Wie jede innere Einstellung zum Leben gibt auch der Humor darüber Aufschluss, wie wir mit Herausforderungen in unserem Leben umgehen. Reagieren wir wütend, ängstlich oder gefrustet, wenn eine Situation aus dem Ruder läuft, oder bleiben wir gelassen und schaffen es sogar, der Situation etwas komisches abzugewinnen, wenn auch mit zeitlichem Abstand?
Wie wirkt sich Humor aus?
Menschen mit einem ausgeprägten Sinn für Humor zeichnen sich oftmals durch die folgenden Charaktereigenschaften aus:
- Sie haben keine überzogenen Erwartungen weder gegenüber sich selbst noch gegenüber anderen Menschen.
- Sie zeigen ein hohes Maß and Widerstandskraft und verfügen über gute Bewältigungsmechanismen, so dass sie selbst in herausfordernden Situationen Ruhe bewahren und auf ein grundlegendes Wohlgefühl vertrauen können.
- Sie bewahren in schwierigen Situationen einen realistischen Blick und Objektivität: „Ist die Situation für mich persönlich wirklich so schlimm, wie zunächst angenommen?“.
- Sie haben die Fähigkeit, vorübergehend die einschränkend wirkende Rolle des Erwachsenendaseins abzulegen und stattdessen eine kindliche Unbekümmertheit anzunehmen.
- Ihr Sinn für Humor zeigt sich offen im Umgang und in der Kommunikation mit anderen Menschen. Ihr Kommunikationsstil ist integrativ und zielt darauf ab, andere in positive Stimmung zu versetzen.
Humor wirkt verstärkend
Fragst Du Dich, ob eine oder mehrere der oben genannten Eigenschaften auch auf Dich zutrifft? Eines ist klar: Der Humor steckt in jedem Menschen und wir alle verfügen über diese Eigenschaften. Die Frage ist allerdings, ob wir dem Humor genug Raum verschaffen, so dass wir diese Eigenschaften ausleben können. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist, dass Du Dir inmitten einer stressigen oder herausfordernden Situation Deinen Humor zu bewahrst.
Humor wirkt deeskalierend und stoppt in schwierigen Situationen die Wucht der negativen Gedanken. Selbst wenn Deine Gedanken zurück zum Stressfaktor wandern, wirst Du nicht mehr so stark überwältigt sein wie vorher. Du bist ruhiger und kannst wieder klarer denken. Der Kontrollgewinn erlaubt es Dir, die Situation neu zu bewerten. Er gibt Dir die Ruhe, zu überlegen, wie Du als nächstes reagieren möchtest. Deshalb ist Humor eine extrem effektive Technik der Gefühlsverarbeitung, die Dir insbesondere in kritischen Situationen hilft, Stärke zu zeigen und die Macht über dein Denken und Handeln zurückzugewinnen.
Humor wirkt verbindend
Warum lachen wir, wenn eine andere Person ein Witz erzählt? Der Antwort liegt darin, dass der Humor uns daran erinnert, dass die Grundgefühle bei allen Menschen gleich sind, und zwar unabhängig davon, aus welcher Kultur sie stammen. Wir alle empfinden Freude, Überraschung, Angst, Wut, Schmerz und Trauer. Der Unterschied liegt darin, dass wir diese Gefühle je nach unserer Herkunft und Sozialisierung anders entschlüsseln und bedingt durch die jeweilige Kultur entweder akzeptiert oder abgelehnt werden. Deshalb äußert sich auch der Humor in jeder Kultur etwas anders. Wir alle haben die gleichen Grundgefühle, aber wir unterscheiden uns in unserem humorvollen Umgang mit ihnen.
Dennoch spielt es zunächst keine Rolle, woher Du kommst und ob Du männlich oder weiblich, reich oder arm, konservativ oder liberal bist. Wir alle machen Fehler, haben Erfolge und Misserfolge. Jeder Mensch erlebt gute und schlechte Zeiten. Dieses gemeinsame Verständnis für die Ereignisse ist der Grund, warum Du Dich über die humorvolle Geschichte eines andern amüsieren kannst. Du kannst Dich identifizieren und lachst innerlich auch über Dich selbst. Hierbei vollziehst Du einen Perspektivwechsel, der besonders in Stresssituationen sinnvoll ist. Du betrachtest Deine persönlichen Probleme mit mehr Abstand und schaffst es, Dich selbst nicht überzogen ernst zu nehmen. Der Humor hilft Dir dabei, die zunächst dramatisch erscheinende Situation zu entschärfen, wodurch Du die Kontrolle über Deine Gefühle und Handlungen zurückgewinnst.
Erfahre in diesem kurzen Video, warum Humor gegen Stress wichtig ist. |
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Kann Humor auch negative Auswirkungen haben?
Wenn der Humor nicht die positiv-verstärkende oder kommunikativ-verbindende Wirkung hat, sondern stattdessen eher eine aggressive oder stark selbstentwertende Tendenz aufweist, kann er durchaus auch negative Auswirkungen haben. Wer allzu häufig dazu neigt, Witze auf Kosten anderer zu machen und diese dadurch bloßstellt, möchte sich selbst in den Mittelpunkt stellen.
Eine extreme Form ist der Zynismus, der streng genommen nichts mit Humor zu tun hat, allerdings oftmals mit ihm in Verbindung gebracht wird. Der Zyniker nimmt billigend in Kauf, Menschen zu verletzen mit dem Ziel, zu provozieren. Hier steht nicht das kommunikativ-verbindende Element im Vordergrund, sondern bestenfalls scharfe Kritik, oftmals allerdings eher Verachtung. Mag Zynismus manchmal durchaus seine Berechtigung haben, wenn er darauf abzielt, auf Missstände aufmerksam zu machen, zeichnen sich extrem zynische Menschen dadurch aus, dass sie einen sehr negativen Ausblick auf die Welt haben. Und von dauerhafter Negativität sollte man sich möglichst fern halten.
Ein anderes Extrem ist ein stark selbstentwertender Humor, bei dem die Verspottung der eigenen Person im Mittelpunkt steht. Natürlich hat Humor fast immer etwas damit zu tun, sich selbst nicht so ernst zu nehmen, aber hier sprechen wir von einer extremen Form. Mit überzogenen Witzen über persönliche Schwächen will man Aufmerksamkeit erregen und das Wohlwollen der Mitmenschen gewinnen. Genau wie ein sehr aggressiven Humor ist ein übermäßig selbstentwertenden Humor oftmals Ausdruck eines Minderwertigkeitskomplexes.
Wie kannst Du Humor trainieren?
Gut zu wissen, dass wir alle Humor in uns tragen. Damit dieser jedoch seine stressreduzierende Wirkung entfalten kann, muss er auch entfesselt werden. Hat der Humor bereits seinen festen Platz in Deinem Alltag, Glückwunsch! Gehörst Du allerdings zu den Menschen, die sich fragen, wann sie sich eigentlich das letzte Mal köstlich amüsiert haben und dabei so richtig lachen konnten, wird es Zeit für ein Humortraining. Genauso wie Du möglicherweise Sport treibst, um fitter zu sein oder Muskeln aufzubauen, kannst Du Deinen Humor schulen.
Solltest Du Dir nun sagen: „Ach, mir geht es doch gut, ich brauche das gar nicht“, dann ist das genau der richtige Zeitpunkt, um damit anzufangen. Gute Stimmung ist die beste Voraussetzung, um grundlegende Humorfähigkeiten aufzubauen. Sobald sich stressige Zeiten ankündigen, bist Du bestens gerüstet, Deinen Humor zu entfesseln und dadurch einen klaren Kopf zu bewahren. Die folgenden fünf Bereiche sind essenziell und ein guter Start für Dein Humortraining:
- Übe Dich in Unbekümmertheit: Wir alle waren als Kind mit einer unbekümmerten Neugierde ausgestattet, die uns erlaubte, neue Dinge zu entdecken und zu lernen. Das wichtigst dabei: Wir hatten keine Angst, Fehler zu begehen und uns dabei vielleicht sogar ein wenig lächerlich zu machen. Unser Verhalten war von Neugierde, Mut und Vertrauen geprägt. Wenn Du es schaffst, diese kindliche Unbekümmertheit wieder öfters zuzulassen, wirst Du die Welt ganz automatisch mit mehr Humor und Zukunftsoptimismus sehen. Der Humor stärkt Dein Vertrauen in Dich selbst und nimmt Dir die Angst, Fehler zu machen – beides beste Voraussetzung für mehr Zufriedenheit und persönliche Weiterentwicklung.
- Geduld: „Abwarten und Tee trinken.“ So banal der Spruch klingen mag, steckt in ihm eine große Portion Wahrheit. Die meisten Dinge, die Dich heute stressen – das verpatzte Date, der Krach mit dem Chef, das Chaos beim Hausbau – verlieren in der Zukunft ihre Dramatik und Du wirst darüber lachen können. Übe Dich in Geduld und versuche, vorschnelle Reaktionen zu vermeiden. Das gilt auch in akuten Stresssituationen. Sobald Du merkst, wie Nervosität oder Wut in Dir hochkochen, kneife Dich in den Arm, atme drei Mal tief durch oder spanne die Muskeln Deiner Unterarme ein paar Mal hintereinander kurz an. Das beruhigt und hilft, hektische Reaktionen zu vermeiden.
- Perspektivwechsel: Betrachte die Situation aus mehreren Blickwinkeln. Versetze Dich in einer schwierigen Lage bewusst in eine andere Person und frage Dich wie diese reagieren würde. Die andere Person kann dabei durchaus Vorbildfunktion haben. Jeder kennt einen Menschen, der in Stresssituationen meist einen kühlen Kopf zu bewahren scheint. Überlege Dir, welche Verhaltensweisen diese Person an den Tag legt, sowohl bei Herausforderungen als auch im Alltag. Selbst wenn Du keine definitive Antwort findest, hilft Dir der bloße Perspektivwechsel, Abstand zu gewinnen.
- Bewahre Selbstdistanz. Eine übermäßige Selbstreflexion in Krisenzeiten ist unser Urinstinkt. Wir möchten Gefahr von uns fernhalten, weshalb wir unser Ego in den Mittelpunkt stellen. Da es bei den Herausforderungen in der heutigen Zeit jedoch meist nicht um Leben oder Tod geht, ist dieses Verhalten eher kontraproduktiv. Indem Deine Gedanken immerfort um Dich selbst kreisen, verstärkst Du das negative Gefühl der Angst um Deine Person sogar. Steckst Du beispielsweise in einer Beziehungskrise, frage Dich, wie sich wohl Dein Partner fühlt und wie Du ihm helfen könntest. Eine altruistische Denkweise hilft nicht nur anderen, sondern hilft Dir, Dich selbst nicht allzu ernst zu nehmen und die Krise leichter zu bewältigen.
- Suche den Umgang mit humorvollen Menschen und halte Dich von Negativität fern. Wenn Du ständig von Pessimisten oder Zynikern umgehen bist oder Du täglich vorrangig negative Nachrichten aufnimmst, wird es Dein Humor schwer haben, sich zu entfalten. Entscheide Dich bewusst dazu, Dich zu amüsieren. Verbringe beispielsweise die Mittagspause nur mit witzigen Kollegen oder schaue Dir abends lieber ein gutes Youtube-Video über Dein Hobby oder ein lang gehegtes Urlaubsziel an, anstatt die Nachrichten oder eine der vielen Talkshows mit unendlichen Diskussionen darüber, was alles schief läuft in diesem Land. Negativität zieht unermesslich viel Energie aus Dir heraus und verursacht latenten Stress. Gehe ihr aus dem Weg, wann immer Du kannst. Nutze die gewonnene Zeit für Dein Humortraining!