Wir alle haben Momente im Leben, in denen wir keine andere Wahl haben, als uns weiterzuentwickeln – Situationen, in denen wir einfach unser Bestes geben müssen, wie zum Beispiel ein Vorstellungsgespräch erfolgreich zu bestehen oder ein schwieriges Gespräch zu führen. Oder es kann sich dabei um eine Situation handeln, bei der Du Dich Deinen tiefsten Ängsten stellen musst wie beispielsweise die Angst, vor einem größeren Publikum zu sprechen.
In Momenten wie diesen ist es wichtig, einen kühlen Kopf zu bewahren. Doch das ist bekanntlich leichter gesagt, als getan. Meist stehen wir uns genau in diesen Situationen selbst im Weg. Wir fühlen, wie sich Nervosität einschleicht und vergessen dann, was wir sagen wollten. Die Angst vor dem Scheitern wird immer stärker und dann hören wir unsere innere Stimme Sätze flüstern wie „Du hast nicht das Zeug dazu“, „Du wirst dich nur blamieren“ oder „Das war doch von vornherein klar, dass das nichts wird.“
Es ist leicht, dem Druck dieser Stimme nachzugeben. Es gibt jedoch eine Alternative, wirksam mit schwierigen Gedanken und Gefühlen umzugehen. Das nächste Mal, wenn Du Dich einer wie oben beschriebenen Herausforderung stellst, kannst Du einer einfachen, vierstufigen Formel folgen, die ich Dir im folgenden erkläre. Damit schaffst Du es, Dich mental optimal auf eine schwierige Situationen vorzubereiten.
Schritt #1 Gib Deinen schwierigen Gedanken und Gefühlen Raum
Der erste Schritt ist vielleicht gleich der schwierigste, denn hier geht es darum, Dich Deinen schwierigen Gedanken und Gefühle zu öffnen, sie zu akzeptieren und ihnen Raum zu geben. Ja, das ist in einem Moment, in dem Dir alles abverlangt wird, wahrscheinlich das Letzte, was Du eigentlich tun möchtest. Du willst dann am liebsten alles stoppen, verdrängen oder davonlaufen.
Fakt ist allerdings, dass es nicht funktioniert, vor schwierigen Gedanken und Gefühlen davonzulaufen. Der Versuch, Selbstzweifel und Nervosität abzuschütteln, macht sie oft nur noch stärker!
Anstatt gegen sie zu kämpfen oder sie wegzudrängen, ist es wesentlich effektiver, wenn Du Gefühle wie Selbstzweifel, Nervosität und all die anderen unangenehmen Erfahrungen, die unweigerlich im Leben eines jeden Menschen auftauchen, einlädst und ihnen Raum gibst. Etwa so: Vernichtende Selbstzweifel? „Komm herein!“ – Lähmende Angst? „Mach es Dir bequem!“ – Schmerzhafter Neid? „Nimm Platz! Kommt alle herein und geht, wenn es euch passt!“
Indem Du all diese unliebsamen Gefühlen und Gedanken einlädst und ihnen Platz verschaffst, nimmst Du ihnen die Macht, die Sie auf Dich und Dein Gemüt ausüben. Sie verlieren die Kontrolle über Dein Handeln. Stattdessen sitzt jetzt Du wieder im Fahrersitz Deines Lebens und kannst über die nächsten Schritte entscheiden.
Das bedeutet, Du hast kein Problem mehr damit, schwierige Gedanken und Gefühle zu haben, aber Du möchtest Dich nicht in ihnen verfangen und so die Kontrolle über Dein Handeln an sie abgeben.
Konkret heisst das, dass Du zum Beispiel vor der Bewältigung einer schwierigen Aufgabe denkst, „Ich bin nicht für diese Aufgabe geschaffen“, und Dich dann trotzdem dieser Aufgabe widmest und Dein Bestes gibst. Oder Du kannst das Gefühl haben, „Diese Aufgabe ist zu gewaltig und macht mir Angst“, und trotzdem den Schritt wagen, es zu versuchen.
Schwierigen Gedanken und Gefühlen Raum zu geben erfordert Übung
Leider reicht es nicht aus, dies nur zu wissen, sondern Du musst es auch üben. Und genau wie bei jeder anderen erlernten Fähigkeit kannst Du lernen, immer besser darin zu werden.
Eine einfache Übung hierfür ist, schwierige Gedanken und Gefühle zu begrüßen und sie einzuladen, als ob sie alte Freunde wären: „Hallo Ich-werde-mich-blamieren-Nervosität“, „Willkommen Das-schaffe-ich-nicht-Furcht“ oder „Schön, Dich wiederzusehen, Ich-bin-nicht-gut-genug-Gedanke“. Lass diese Gedanken und Gefühle herein und bitte sie, Platz zu nehmen; erlaube es ihnen, da zu sein und Dir zuzuschauen.
Eine Alternative ist, schwierige Gedanken zu buchstabieren. Wenn Dir ein schwieriger Gedanke auffällt, buchstabiere ihn, während Du Dich genau der Sache widmest, an der der Gedanke Dich zu hindern versucht. Wenn Du zum Beispiel joggen gehst, und Dir der Gedanken „Ich kann nicht mehr weiterlaufen“ in den Sinn kommt, buchstabiere „K…A…N…N…N…I…C…H…T“, während Du weiterläufst.
Experimentiere einfach ein wenig, welche Praxis für Dich am besten funktioniert, um Deinen schwierigen Empfindungen Raum geben zu können.
Schritt #2 Fokussiere Dich auf das Hier und Jetzt
Wenn es Dir gelungen ist, Dich Deinen schwierigen Gedanken und Gefühlen zu öffnen, kannst Du Dich auf das konzentrieren, worauf es ankommt: Auf das Hier und Jetzt. Wahrscheinlich erfordert die Aufgabe oder Herausforderung, vor der Du stehst, ohnehin Deine volle Aufmerksamkeit, und mit diesem Schritt kannst Du Dich ganz auf die Dinge fokussieren, die jetzt wichtig sind.
Eine gute Methode, um Dich auf das Hier und Jetzt zu fokussieren, ist, Dir einige Sekunden Zeit zu nehmen, um wahrzunehmen, was in Deinem Körper geschieht. Was fühlst Du jetzt gerade wo in Deinem Körper? Kannst Du Deine Zehen spüren? Deine Füße? Deine Beine? Deinen Bauch und Deine Brust? Und wie fühlen sich Deine Arme an? Oder Dein Gesicht?
Führe einen kurzen Bodyscan durch, um Deinen ganzen Körper zu fühlen. Und wenn Du an einer Stelle ein Engegefühl oder eine Anspannung feststellst, atme genau in diese Stelle tief ein und aus. Gib der aufgestauten Energie, die sich dort befindet, Raum, sich zu bewegen.
Raus aus dem Kopf und rein in den Körper
Je besser Du Dich in Deinen Körper hinein fühlen kannst, desto leichter wird es Dir fallen, Deinen Kopf zu verlassen, Dich zu erden und Dich wieder auf das Wesentliche zu konzentrieren. Das ist eine entscheidende Fähigkeit – nicht nur bei der Bewältigung der vor Dir liegenden Herausforderung, sondern im Leben im Allgemeinen. Gib Deinem rationalen Denken öfters eine Pause und fokussiere stattdessen darauf, was in Deinem Körper passiert.
Alternativ kannst Du Dein Bewusstsein auch auf das Geschehen um Dich herum richten. Was kannst Du sehen? Was kannst Du hören? Kannst Du die Geräusche unterscheiden? Und was kannst Du riechen? Beantworte diese Fragen nicht, sondern konzentriere Dich auf Deine Sinne. Dies ist keine Denkübung, sondern eine Gefühlsübung. Übe, präsent zu werden – sowohl mit Dir selbst als auch mit Deiner Umgebung.
Schritt #3 Verbinde Dich mit Deinen Zielen und Werten
Du hast Dich Deinen schwierige Erfahrungen geöffnet und Du hast Dich im Hier und Jetzt geerdet. Jetzt ist es an der Zeit, Dich mit Deinen Zielen und Werten zu verbinden.
Denn die Frage ist, warum bringst Du Dich überhaupt in diese stressige Situation? Du könntest genauso gut gehen und etwas Anderes machen, was Dir viel leichter von der Hand geht. Aber Du hast Dich für diesen Weg entschieden, denn in diesem Moment, in dieser herausfordernden Situation gibt es etwas, was Dir sehr wichtig ist. Etwas, das für Dich von größter Bedeutung ist.
Was auch immer es ist, das Dir wichtig ist, jetzt ist es an der Zeit, Dich darauf zu besinnen. Geht es um beruflichen oder finanziellen Erfolg? Ja, vielleicht. Aber vielleicht geht es noch um etwas Wichtigeres wie beispielsweise Dir selbst und den Menschen, die Dir wichtig, treu zu sein, sich um sie zu kümmern, sie zu schützen…
Finde den Zweck, für den es sich lohnt, alles zu geben
Aha, jetzt kommen wir voran! Wir tun das, was wir tun, aus vielen verschiedenen Gründen. Aber hier möchte ich, dass Du Dich mit Deiner tiefsten Motivation verbindest, die Du finden kannst. Einem Zweck, für den es sich lohnt, alles zu geben. Denn hinter diesem Zweck stehen genau die Ziele und Werte, für die es sich lohnt, voranzugehen – egal, welchen Schwierigkeiten oder Herausforderungen Du auf dem Weg begegnest.
Um Dich mit diesen Zielen und Werten zu verbinden, könntest Du zum Beispiel ein Armband oder eine Halskette tragen, die Dich an das erinnert, was Dir wichtig ist (so wie ein Ehering an das Gelübde gegenüber einem Ehepartner erinnert).
Oder Du kannst auch einfach nur über Deine Absicht nachdenken und darüber, was sie Dir bedeutet. Je besser Du weisst, warum Du Dich den Schwierigkeiten stellst, desto leichter wird es Dir fallen, Dich den damit verbundenen heiklen Gedanken und Gefühlen zu stellen.
Schritt #4 Werde aktiv und handle
Alle anderen Schritte zuvor haben haben zu diesem Moment geführt: (1) Du hast Dich für schwierige Gedanken und Gefühle geöffnet; (2) du hast Dich im Hier und Jetzt geerdet; und (3) Du hast Dich mit dem verbunden, was für Dich von Bedeutung ist. Jetzt liegt es an Dir, noch einen Schritt weiter zu gehen und zu handeln.
Wie Dein Handeln aussieht, hängt von Dir und Deiner Situation ab. Es könnte zum Beispiel darum gehen, an diese schreckliche Tür zu klopfen, um das so lange aufgeschobene, wichtige Gespräch zu führen; den ersten Schritt auf die Bühne zu wagen, um vor größerem Publikum zu sprechen; oder den Laptop zu öffnen, um die ersten Zeilen des Buches zu schreiben, welches Du schon so lange beginnen wolltest.
Handle in Sinne dessen, was Dir wichtig ist
Ja, es kann passieren, dass es nicht so gut läuft, wie Du es geplant hattest! Es kann sein, dass Du Dich blamierst, etwas Dummes sagst und das Ziel verfehlst. Es gibt keine Garantien, aber das Wichtige ist, dass Du in Sinne dessen handelst, was Dir wichtig ist. Das macht den Unterschied!
Du machst den ersten Schritt in die Richtung Deiner Ziele und Werte. Und dann noch einen. Und dann noch einen. Jetzt sind es nicht Angst oder Nervosität, die die Entscheidungen treffen. Jetzt triffst Du die Entscheidungen – mit Mut im Herzen und Zielstrebigkeit im Kopf. Gratulation!
Du kannst das!
Wann immer Du vor einer Herausforderung stehst oder eine Krise zu bewältigen hast, kannst Du Dich mit diesen vier Schritten optimal mental vorbereiten:
- Öffne Dich den schwierigen Gedanken und Gefühlen.
- Erde Dich im Hier und Jetzt.
- Verbinde Dich mit dem, was Dir wirklich wichtig ist.
- Werde aktiv und machen die ersten Schritte.
Keiner dieser Stufen muss lange dauern. Tatsächlich kannst Du mit etwas Übung alle diese Schritte in wenigen Sekunden ausführen. Noch besser: Du kannst ein regelmäßiges Ritual daraus machen, idem Du mental durch die vier Schritte gehst, bevor Du in eine schwierige Situation gerätst.
Am besten schreibst Du Dir die vier Schritte auf eine kleine Notizkarte, die Du in Deinem Portemonnaie mitnehmen kannst. Öffne Dich, erde Dich, verbinden Dich mit Deinen Zielen und Werten und dann gehe vorwärts. Ich weiß, dass Du das kannst!